Reiher - Texter Sautter
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Reiher

Deutschland-Protokoll (Etappe 11) Neusäß – Fischen im Allgäu, 149 km, 1550 Höhenmeter

Mein Quartier heißt Fischbach, liegt in Fischen und hat eine eigene Fischzucht gleich am Haus. Ich schau mir den Teich an. Als ich ans Haus zurück komme, werde ich vom Fischzüchter gelobt. Ich hätte wohl gerade einen Reiher vertrieben. War mir gar nicht aufgefallen.

Diese Viecher sind ein Problem. Unter den artengeschützten Tieren hat sich die Qualität des Fischbachs auch herum gesprochen. Reiher bedienen sich in den kleinen Teichen der hoteleigenen Zucht sonder Zahl. Die Schäden, die der Reiher in bayrischen Fischzuchten anrichten gehen in die Millionen. Aber die Zahlen kommen vom Verband. Der Fischzüchter erklärt, dass die Wildtiere die Fischbestände in vielen Flüssen Oberbayerns auf dem Gewissen haben. Er sagt, man müsse die Reiher eindämmen. Der Millionenverband natürlich auch.

Artenschützer sehen das anders. Sie verweisen auf die geringe Zahl an Pärchen, und nennen es einen Skandal, dass man Bayern im später Sommer sechs Wochen Reiher schießen darf. Dem Fischbach wird das mit den Schießen nichts bringen. Innerhalb von Wohngebieten schießt du besser nicht. Vertreiben lassen sie sich nicht. Die Lösung könnte in einer aufwendigen Netzkonstruktion bestehen. Hoch genug, dass der Reiher nicht durchsticht.

Elegant wie ein Reiher flog ich heute durchs Allgäu. Steiler werdend das Gelände. Was für eine Aussicht! Bernd, keine Landschaftsfotos, bitte nicht, die löschst du eh wieder. Für gewöhnlich sehen sie alle gleich aus, wenn du mit dem Handy fotografierst. Gute Landschaftsaufnahmen sind eine Kunst. Du brauchst ein anständiges Objektiv, einen guten Stadtpunkt mit Vordergrund und vor allem: das richtige Licht zur richtigen Tageszeit. Also Bernd. Spar Dir das. Genieße den Moment.

Empfindet man Landschaften als schöner, wenn man sie übersieht? Vermutlich. Auch in Thüringen wären solche Blicke möglich, wenn man vom Rennsteig so senkrecht drauf runter schauen könnte. Geht aber nicht, dafür ist der Höhenrücken zu flach. Und zu viel Wald. Harz dasselbe. Brocken ginge noch, aber der ist an 300 Tagen im Dunst. Allgäu ganz anders. Wenn du von oben guckst, liegt drunten eine wellige Landschaft, die viele Farbtöne hergibt. Die Fernsicht ist betörend. Das Voralpenlandes ist ja nicht per se schöner als anderswo, aber du kannst es besser überblicken. Finden deshalb viele Menschen die Berge so schön, weil sie das Gefühl der menschlichen Souveränität genießen? Da könnte was dran sein. Diese Berge wären ja ziemlich ungemütlich, wenn wir keine Hütten bauen könnten, oder uns danach wieder ins Tal flüchten wie die Reiher könnten.

Gegen Ende des Tages biege ich ins Königssträßle ein, das ist eine geteerte Verbindung, die von der Wertacher Seite hinterm Grünten vorbeiführt. Einsames Tal, feiner Weg, für den Straßenverkehr nicht freigegeben. Bernd, nicht fotografieren, auch wenn der Grünten in der Rückansicht noch so steil aufragt. Du löscht es eh wieder, wetten?

Erkenntnis des Tages: Es gibt wenig Schlimmeres, als die Sichtschutzbänder aus Plastik, die man neuerdings durch 0815-Eisenzäune flechtet. Ganz normale, einfarbige Plastikbänder von mir aus. Was gar nicht geht: wenn die Dinger mit Gabion- oder Grünen Heckenmustern bedruckt sind. Die Unsitte galoppiert seit zwei bis drei Jahren in Deutschland. Da ist der Mensch zu faul ne Hecke anzulegen oder zu pflegen, und schafft sich so ein billiges Teil, das auf niedrigem Niveau so tun will, als wäre Hecke. Armselig ist das. Ich muss da gar nicht mit Materialauthentizität oder Plastikmüll kommen. Das ist einfach nur Dreck, wenn man Plastik nimmt und ein dämliche Naturmuster draufdruckt. Da lachen ja sogar die Reiher. Wenn ihr mich fragt: sofortige Enteignung. Parole „Ende Gelände“

Gabiondekor (gibts auch mit Heckenmuster)

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