27 Jul Der große Graben
Deutschland-Protokoll (Etappe 9) Erlangen – Pappenheim im Altmühltal, 114 km, 900 Höhenmeter
Komm mir nicht mit Asterix, angesichts der Überschrift (Der große Graben, Band 25). Autor Goscinny und Zeichner Uderzo haben Asterix und Obelix zu früh nach Deutschland reisen lassen, schon 1961 erschien der Band. Zum Deutschland-Bild haben die Beiden wenig erhellendes beigetragen. Die Deutschen wurden als Goten dargestellt. Westgoten und Ostgoten. Deutsche haben nur sehr überschaubar was mit Goten zu tun. Es liegt wohl an der Schrift, dass wir im Comic zu Goten wurden. Fraktur, international als „Gothic“ bezeichnet. Unsere Sprechblasen waren in Fraktur gehalten. Bei Asterix kommen wir Deutsche schlecht weg. Der Krieg war noch zu nah. Goscinny und Uderzo hatten noch die Nazis im Sinn. Karikiert mit Preußischen Eigenschaften. Grobschlächtig, tumb und sauberkeitsliebend. Die saubere Akkuratesse hat sich allerdings in deutschen Vorgärten ganz prima über die Jahrhunderte gerettet. Die neuen Asterix-Autoren sollten sich nochmal zu den Goten wagen.
Der große Graben meint in diesem Fall einen Kanal. Diese Wege sind auch für Radler praktisch. Wenn du keine Höhenmeter machen willst, leg die Route am Kanal entlang. Gestern hatte ich steinerne Beine, da war der Kanaltrick hilfreich. Kanäle auch besser als Flüsse, es fehlen die Schlaufen. Also keine Umwege, wenn du schnell wohin willst. Heute waren bei mir wieder Beine untendran, die ungefähr gehorchten, inklusive geschmeidiger Muskulatur. Also wenig Kanalkilometer. Es wird bergiger. Fränkische Alb. Den bemerkenswerten Kanalgraben hab ich durch Zufall gefunden. Meine Route führte dort entlang, wo auch Karl der Große eine strategisch wichtige Verbindung erkannte. Praktisch seelenverwandt, wir beide.
Mittelalter ja überhaupt nicht meine Epoche. Als ich in Ratzeburg an Plakaten vorbeifuhr, die einen Mittelalter-Markt ankündigten, dachte ich im Stillen, dass sich dort die meisten gar nicht extra verkleiden müssen. Würde ich nie aufschreiben, so einen arroganten Gedanken. Ist ja eh Folklore, so ein Markt. Mittelalter ist mir einfach zu weit weg, zeitstrahltechnisch.
Doch plötzlich das Mittelalter ganz nah. Ich sauste einen schmalen Waldweg entlang. Erkennbar auf eine damm-ähnlichen Anhöhe. Links eine scharfe Kante, darunter ein Tümpel. Hätte ich mich versteuert, wäre ich direkt im Mittelalter geplumpst, wie ich gleich herausfinden sollte. Der Tümpel machte mich stutzig. Er passte irgendwie nicht zur Landschaftsform. Welcher Großkotz hatte den wohl angelegt? Wieder ein adeliger Schlossherr aus reiner Langeweile? Ich war’s jedenfalls nicht. Am Ende des Tümpels standen Infotafeln. Ich mag ja die Verinfotafelung der Welt. Sie trägt zur Wertschätzung des Gesehenen bei und ist viel praktischer als die doofe Weltwissensmaschine. Funktioniert auch bei schwachem Akku. Wer stand also auf der Infotafel drauf? Karl der Große!
Karl wollten den Graben angelegen lassen, um Rhein und Donau zu verbinden. Er liegt im Ort namens Graben, der Ortsname ist natürlich kein Zufall. Mit Hilfe des verwendeten Holzes konnte man erst kürzlich die ungefähre Bauzeit bestimmen, so um 792 n.Chr. rum. Karl hat das offenbar genau gecheckt. An der Stelle versuchte er die Rheinseite mit der Donauseite zu verbinden. Nur rund 1800 Meter liegen zwischen der Schwäbischen Rezat, die in den Main fließt und der Altmühl, die ihr Wasser in die Donau leitet. Im Jahr 793 besichtigte Karl die Baustelle, so steht es in Frankens Geschichtsbücher. Von Einweihung steht nichts drin. Vermutlich wurde der Karlsgraben nie fertig. Da es Schleusen noch nicht gab, hätte man vermutlich die Boote mit Leuten von einen Teich zum nächsthöheren getragen. So hätte man die paar Meter Höhenunterschied überwunden. Aber gesichert ist das nicht. Fest steht nur: Karl dem Großen hätte meine Routenwahl gefallen. Entlang der logischsten und kürzesten Variante eines Rhein-Donau-Kanals.
Erkenntnis des Tages: Der abstruseste Fanshop aller Zeiten steht gegenüber des Ronhofs. Die SpVgg Fürth heißt ja deshalb „Greuther“ weil ein Tee-Mogul aus Vestenbergsgreuth einst in die SpVgg hineinfusioniert hatte. Jetzt steht ein Greuther Teeladen auf der anderen Straßenseite des Stadions. Ein Teeladen! Für Fußballfans. Dabei stammt die Reporterfloskel, wonach der Schiedsrichter „zum Pausentee bittet“ doch aus dem Mittelalter. Mindestens. Nur in Ratzeburg wird sie vielleicht noch verwendet