Oma von rechts - Texter Sautter
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Oma von rechts

Alleingang Bari, Tappa 17: Manfredonia – Andria: 80 km, ca. 200 Höhenmeter

Kurz- und weitsichtig schließen sich nicht aus. Ich bin beides. Außerdem hör ich schlecht. Das Alter. Der Sinn, der am längsten im Argen liegt, ist das Näschen. In Form und Funktion. Seit ich das Ding vor Jahrzehnten auf eine Tür gedozt habe, bin ich der Letzte, der einen Geruch wahrnimmt. Und wenn sogar ich behaupte, dass es stinkt, dann stinkts gewaltig. Erst dachte ich, es sei die Zwiebelernte auf den Gemüsefeldern an der Apulischen Küste. Aber warum sollte es nach Zwiebeln riechen, wenn weit und breit kein Feld ist, und schon gar keine Zwiebel? Nein, es gibt nur eine Erklärung: Es ist was faul in Apulien. Und zwar auf der Strecke zwischen Manfredonia und Andria, die mich direkt am Meer entlang führte. Teilweise links Meer, rechts Lagune oder Saline. Und immer wieder diese Faulwolken. Vermutlich teils stehendes Wasser, teils modernde Ernteabfälle und viel nicht vorhandenes Umweltbewusstsein der Pugliesen. Vom Rad aus fast besser zu sehen als vom Auto. Die Autos müssen innen eigentlich alle picobello sein. Der gesamte Müll liegt am Straßenrand, dauernd. So ist das halt. Hab nichts gesagt, sonst heißt es wieder „deutscher Oberlehrer“. An Anderer Stelle hab ich sowieso nichts zu melden, zum Beispiel im Straßenverkehr. Als Radfahrer bin ich offenbar mit Tarnkappe unterwegs. Ich zähle nichts. Verkehrsregeln schon gar nicht. Es gilt das Gesetz der ersten Hupe. Wer sie zuerst drückt, hat recht. Besonders rücksichtslos sind Fahrer, die einen Beifahrer haben, der den Arm zum Fenster heraus lehnt. Den Zusammenhang kann ich nicht erklären. Bei uns ist es ja „Fahrer mit Hut“. Hier in Apulien „Beifahrerarm aus Fenster“. Das ist ja alles nicht schlimm. Wenn man es weiß, kann man sich drauf einstellen. In jedem Land stehen die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf einem großen Schild gleich hinter der Grenze. Warum nicht auch die ungeschriebenen Gesetze? Bei „Mann mit Hut“ könnte man das schön piktographisch umsetzen. Aber ich schweife ab. Die Schönheit Apuliens offenbart sich in den Städten. Sie sind rau, chaotisch und haben Atmosphäre. Ich bin in Andria, ein paar Kilometer im Inland. Dort sind im alten Stadtkern die Gassen so eng, dass ich mit dem Fahrradlenker schon gut aufpassen muss. Die echte Schönheit des Landes zeigt sich aber auf dem Teller. Ich erwische ein saugutes Restaurant mit echter Platte als Set und wirklich besonders apulischen Gängen. Nein, kein Aal. Schön, wenn Restaurants das kochen, was sie können, und nicht das, von dem sie denken, dass es die Touristen so wollen. Man schmeckt auf dem Teller, ob’s die Küche gerne macht. Auch die Gäste mit krummem Zinken. Meine Tour geht bald zu Ende, gut so, dann kann ich mich wieder besser ums Kulinarische kümmern. Platz wäre vorhanden. Erkenntnis des Tages: Mir geht langsam der Sprit aus. Außerdem zwickt es bald da und zwackt bald dort. Die Form wär hinüber. Regeneration bitte. Morgen noch nach Bari. Dann werd ich die Beine ins Meer hängen.

Andria
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