12 Jun Guader Mø
Kaffeefahrt, Etappe 11, Breno – Schlipario , 65 km , 1.600 Höhenmeter.
Die Bergamasker Alpen liegen von Norden aus gesehen gut versteckt. Genau zwischen den üblichen Einfallschneisen nach Italien, also Südtirol und Tessin. Und wer ausnahmsweise den Mittelweg wählt, muss runter ins Valtellina und irgendwie über die nächste Bergkette kommen. Machen die wenigsten. Die Region liegt von Norden aus gesehen abgeschirmt im Deckungsschatten. Man spürt das. Die Bergamasker Alpen sind auf angenehme Weise italienisch geblieben. Touristen schon, aber kaum aus nördlicher Himmelsrichtung, wie an den Kennzeichen abzulesen ist. Ebenso die Schilder an der Straße: einsprachig. Nur die Gefahrenschilder an den Schluchten gibts in vier Sprachen. Im Außenbereich unseres Hotels gilt die italienische Variante von „Auf der Terrasse nur Kännchen“. Sie lautet: „Auf der Terrasse nur Vorkasse“. Hörbares Aufatmen in der Seniorensportgruppe, als das Vorkassen-Prinzip auch an italienischsprachigen Tischen angewendet wird.
Schluchtenschilder passierten wir heute reichlich. Der Passo Vivione hat spektakuläre Felsabstürze. Im Grunde ist er nur ein Feldweg. Aber so wundervoll! Nur die Verzweiflungsstrategie den Pass Zickzack herauf zu schnaufen, damit das Gefälle flacher wird, sollte man tunlichst unterlassen. Schön in der Mitte fahren, mit Abstand zum Abgrund. Und runter ganz langsam. Wie auf dem Finanzamt: Versteuern wird teuer. Die Landschaft ist auch radlerisch praktisch. Kannst du schön viele Fotopausen machen, damit es nicht so auffällt, dass die Pause eigentlich der Kondition geschuldet ist. Wir fahren klar auf Ankommen.
Heute in Schilpario. Trotz des komischen Namens: Italienischer geht’s kaum. Beim Spaziergang durchs Dorf donnert das Kirchengeläut als wäre es einen Lawinenwarnung fürs ganze Tal. Aber die Lautstärke ist angebracht. Um Fünfe ist Gottesdienst und zwar ein ganz besonderer. Morgen ist Heiliger San Antonio. Und dem kann man nicht genug danken. Auch ich und gerne an dieser Stelle: „Danke San Antonio!“ San A. bringt nämlich die Liebenden zusammen, also immer wenn‘s zusammenpasst. Eher allgemein ist der gute Antonio dafür zuständig, dass sich das findet, was sich finden soll. Das gibt‘s übrigens auch im Schwäbischen (ich versuch‘s aufzuschreiben, obwohl ich weiß, dass man schwäbische Mundart immer sprechen sollte, aber niemals schreiben) Für alle, die etwas verlegt haben, lautet die Fürbitte wie folgt: „Heiliger Antonius / Guader Mø / lass‘ me’s schnell fenda / ond fiahr me dranø“ Funktioniert aber nur bei denen, die an ihn glauben. Hier in Schilpario also bei allen. San Antonio ist der Schutzheilige des Ortes. Steht an der Kirche und in Wikipedia. Sollte also stimmen.
Erkenntnis des Tages: Apropos Schwäbisch. Jetzt muss ich doch was loswerden, was mir als pedantisch und deutsch ausgelegt werden könnte. Also Leute, liebe Italienerinnen und Italiener, vor allem die Infrastrukturplaner/innen: Wie ihr die Glasfaserkabel unter die Landstraßen reinpfuscht, das geht gar nicht. Nichts gegen Glasfaser, aber die Längsrillen, die auf fast allen Landstraßen übrig bleiben, das sind echt fiese Radfahrerfallen. Straßenbau kann nicht so schwer sein. Dort, wo der Giro war, klappt’s doch auch.