Dünne Luft - Texter Sautter
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Dünne Luft

Bergerfahrung, Etappe 6, Fusch – Huben, 101 km, 2600 Höhenmeter

Ganz dünne Luft für unser Seniorengrupetto. Hinterher wollte es keiner gewesen sein. Das war doch deine Idee mit dem Großglockner. Ne, du warst der Großglockner, bin da nur wegen dir… So wurde am Abend diskutiert. Erst am Abend, weil tagsüber die Luft viel zu dünn für kontroverse Themen. So ne Bergfahrt über die Großglockner-Hochalpenstraße (die so weit weg vom namensgebenden Berg ist, dass man ihn nicht mal sieht) erscheint in der Tat weniger heldenhaft als man vielleicht meint. Du startest in einem Tempo, das so langsam ist, dass du grad nicht vom Rad fällst, wenn du trittst. Und dieses Tempo fährst du so lang du kannst. Selbst bei den paar Serpentinen, in denen es flach ist: keinesfalls schneller. Nach der dritten Serpentine kommst du eh nicht mehr auf die Idee mit der Bescheunigung. Der zweite Vorteil an der Langsamkeit: Du hast so viel Zeit zu gucken. Und zu gucken gibt es viel. Immer wieder neue Perspektiven. An einer Stelle haben sich sogar Kühe auf einen Felsen in der Vordergrund gestellt. So viel Klischee, dass ich gedacht hätte, da taucht gleich ein Cowboy auf und verlangt Gebühr fürs Knipsen. Apropos denken: Das wird mit der Anstrengung und der Höhe tatsächlich weniger. Bei mir jedenfalls. So ne Art sanftes Delirium. Leider nichts mit Erweiterung der Sinne. Eher mit Simplifizierung. Es geht wirklich nur darum, auf dem Rad hocken zu bleiben und zu treten. Ans Trinken denken geht da schon als geistige Höchstleistung durch. Heldenhaft sieht jedenfalls anders aus. Bei mir: eckiger Tritt, zunehmend unruhiger Oberkörper, zeitlupenhafte Geschwindigkeit, wackeliger Sitz.

Für Radler sogar umsonst das Vergnügen. 2011 wollte man auch den Radlern Kohle abknöpfen. Aber Proteste und Presseecho haben dafür gesorgt, dass Fahrräder längst wieder umsonst sind. Die Hochalpenstraße ist Österreichs zweitwichtigste Sehenswürdigkeit nach Schloß Schönbrunn in Wien. Fast ne Million Touris jährlich. Weitere Zahlen von vor 5 Jahren: 200.000 Autos , 5500 Busse, 20.000 Radsportler. Offen gestanden: so schlimm war‘s gar nicht an einem Mittwoch außerhalb der Hauptreisezeit. Überraschend erträglich. Als Michl an einer Busladung Leute vorbeikrabbelte, brandete sogar Applaus auf. Verdient.

Kleine Fiesigkeit am Rande: Die Straße hat zwei Hochpunkte. Mittendrin geht‘s 200 Höhenmeter runter und dann wieder steil rauf. Mit dem Auto ist das fein zum Cruisen. Auf dem Rad darf man zugeben: Da beginnt die Sorge um den nächsten Tritt größer zu werden als die Faszination der Berge. Wenigstens wurde eine Kühlung eingebaut, in Form von riesigen Schneewänden. Frisch ist das schon. Und bei der Abfahrt den gesamten Inhalt des Gepäcks übereinander anziehen.

Erkenntnis des Tages: Nein, Beuscherl sind keine Kutteln. Der feine Innereinmix gehört in Österreich zum Kulturgut, sagte die Wirtin. Für mich kamen die Beuscherl als willkommene Belohnung zum Abendessen. „Mahlzeit“ sagte die Wirtin, die bei der Bestellung freundlicherweise nachfragte, ob ich wisse, was ich da bestelle. Schade nur, dass kein Hirn verwendet wird. Nach dem Großglockner-Tag (der selbstverständlich Michls Idee war) hätt ich Hirn gut gebrauchen können. In welcher Form such immer.

 

Großglockner Nordseite
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