Ja zur Aufarbeitung - Texter Sautter
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Ja zur Aufarbeitung

Meine persönliche Einladung zur Buchpräsentation von Benni Hofmann.
Kapital oder Kurve, 200 Seiten, Verlag Die Werkstatt.

Lasst mich beginnen, als es am schönsten war. Sommer 2007. Ich bin Meister! Bin komplett eins mit dem Verein. Prall gefüllt mit Glück. Nüchtern ist anders. „Seht Ihr Bayern, so wird das gemacht.“ Wenn ich mich richtig erinnere, befand ich mich am Charlottenplatz, wo ich mit Milliarden Fans auf die Mannschaft wartete. Doch sie hatte sich in den langsamsten Autocorso der Welt gesetzt. Die Helden erschienen gegen Mitternacht. Danach wird meine Erinnerung unscharf. Heute würde ich sagen: Es waren meine letzten Stunden als Voll-Fan. Zumindest meine letzten als Erfolgsfan. Die Wahrheit ist: Der VfB hat meine Hingabe im letzten Jahrzehnt auf Normalnull zurückgefahren.

Zugegeben: Die Sauttersche Beschäftigung mit dem VfB war stets ein angestrengter Versuch, mir eine kindliche Faszination zu erhalten. Ein Ansatz, der von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Irgendwann funktioniert die naive Bewunderung nicht mehr, die man für einen Verein empfindet. Je näher man dem Mythos tritt, desto kleiner erscheint er. Normaaaal. Meine Hingabe kapitulierte einerseits vor meinem Alter, anderseits vor einem neuen VfB. Also vor dem Verein, der mich in den letzten Jahren gezwungen hat, Datenschutzgrundverordnungen, Sitzungsprotokolle und verzwickte Strukturdiagramme zu studieren. Kann keiner behaupten, ich hätte mich nicht angestrengt.

Auf den Bühnen des Vereins standen Sonnenkönige, Perlentaucher und alte Seilschaften. Einer davon scholt mich einen Idioten. Andere haben das nur gedacht. Es bestand Grund zur Annahme, dass mich das senile Großmaul und seine treuen Erfüllungsgehilfen verachteten. Sie starteten sogar Dialogversuche. Aber so dilettantisch, dass man ihre Inszenierung leicht durchschaute. Man kennt das aus vielen Unternehmen. Das Geschäft liefe echt klasse, wenn bloß die doofen Kunden nicht wären. Der Kunde war ich. Kunde einer AG mit breitgrinsenden Karrieristen an der Spitze. Aufgeblasene Piefkes, denen man die Herrenwitze, die sie auf der Haupttribüne rissen, von der Kurve aus ansah. Schlimme Jahre. Richtig ungemütlich, wenn man noch den allgemeinen Zustand des Fußballs hinzu nimmt, die Sklaventreiber in Paris, die Korruption in Madrid und die Arschkriecher in Zürich. Aber lassen wir das, bleiben wir bei den Helden des VfB.

In diesem verdienstvollen Kreis der Helden befindet sich seit langem auch Benni Hofmann vom kicker Sportmagazin. Seine jüngste Heldentat: Er hat die schlimmen Jahre in einem einzigen Buch protokolliert. Skrupellos. Todesmutig. In Auseinandersetzung mit einer Vergangenheit, die einen ekeln muss. Hofmann grauste es vor gar nichts. Nicht vor abenteuerlichen Quattrex-Konstruktionen, nicht vor spröden Abstimmungsprotokollen und auch nicht vor dem Risiko, dass ihm einer einen Satz juristisch krummnimmt.

Wir freuen uns darauf, mit ihm in der Schwemme zu sprechen. Wir wollen reden über sein Buch, das Vorher und das Nachher. Vorher, also im Herbst letzten Jahres, hatte Benni brisante Mails aus unbekannter Quelle erhalten. Nachher, also ein Jahr später, sind sogar die letzten Reste der Seilschaften verschwunden. Ich habe mich in den letzten Tagen sehr über die feinen Podcasts gefreut, in denen Benni zu Wort gekommen ist. Verdammt guter Job von allen Beteiligten. In der Schwemme wollen wir letzte Lücken der Aufarbeitung schließen. Verbunden mit der bangen Frage: Ist wirklich alles gut – oder wenigstens besser als zuvor?

Tatkräftige Hilfe bei der Aufarbeitung erhalten wir von Christian Prechtl. Christoph Ruf nannte ihn einen VfB-Maniac, Wolfgang Dietrich einen Drecksack. Beides Adelstitel. Prechtl schreibt seit mehr als einem Jahrzehnt gegen die Zustände beim VfB an. Mit Virtuosität und Ausdauer. Ein dicker Freund des Hauses. Stets bereit zur gerechten Blutgrätsche. Gelbe Karten nimmt er dabei in Kauf. Weil der VfB immer dann am schwächsten war, wenn er sich um sich selbst drehte, wird unsere Diskussionsrunde vervollständigt von Christian Müller. Mit dem ehemaligen DFL-Geschäftsführer Lizenzen und Finanzierung wollen wir besprechen, welche roten Lichter der selbsterklärte Championsleagueanwärter vom Neckar einst übersah. Und wir wollen gemeinsam überlegen, welche Perspektiven dem Traditionsklub mit dem Stern auf dem Brustring noch bleiben. Stichworte: Langweilige Liga, Chancengleichheit, Investor, Nachhaltigkeit, Bodenhaftung.

Die Palettenbühne vor der Schwemme wird wieder aufgebaut. Mittwoch um 18.00 Uhr sind wir bereit. 19.00 Uhr geht’s los. Getränke sind immer frisch in der Schwemme. Als Weltpremiere werden Pommes a la minute serviert. Direkt am Tresen. Die ersten 50 Pommes-Portionen kommen mit einer Überraschung on top. Eintritt frei. Hut geht rum.

Herzlich willkommen in der Schwemme
Mittwoch, 13.10.
Podiumsdiskussion „Kapital oder Kurve“

Bringt Appetit mit.
Bernd