Nais hier - Texter Sautter
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Nais hier

Deutschland-Protokoll (Etappe 1) Glücksburg – Malente, 147 km, 760 Höhenmeter

Eigentlich ganz Plön hier. Ich machte mich auf Schieht und Schlechtwetter, Dunkel und Dunstig, Morast und Moore gefasst. Von wegen. Bezaubernd hier, dieser Echte Norden. Oben bei Glücksburg weht ein leichter Hauch von Ostsee-Killesberg. Dort hat sich die Haben-Seite der Menschheit ein Haus gebaut. Nur kurzer Abschnitt, dann wird es wirklich toll. Kilometerweit schön, man kann es nicht anders sagen. Sanfte Hügel, das ist praktisch für den Ausblick. Sonntagmorgen niemand auf der Straße. Auch kein Auto weit und breit. Radwege sind trotzdem da. Und das, wo auf der Straße keiner fährt. Infrastruktur also super. Sonst nichts. Die kleinen Dörfer wie ausgestorben. Auf der Schlei-Fähre war ich der einzige Passagier. So gemütlich gehts hier zu, dass sogar der Busfahrer anhält, um mit ein paar Einheimischen locker zu schnacken, die sich von Vorgarten zu Vorgarten übern Zaum unterhalten. Ist ja sonst niemand im Bus. Sieseby wurde mir angekündigt als eines der schönsten Dörfer Deutschlands. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Niais schon. Doch von Dorf kann angesichts der rund fünfzehn Häuser nicht sprechen. Als ich nach drei Pedalumdrehungen bereits wieder aus Sieseby raus zu fahren drohte zwar, vergewisserte ich mich nochmal , ob das wirklich schon alles war. Ich dachte, ich wär noch gar nicht drin im Dorf. Alles ein wenig kleiner dimensioniert hier.

Ein dänischer Politiker kam vor Jahren auf die krude Idee, dass Südschleswig wieder zu Dänemark sollte. Eine deutsche Kommentatorin stimmte ihm sogar zu mir dem Argument, dass da eh nichts los wäre, somit würde das Fehlen von Südschleswig gar nicht auffallen. Schade wärs trotzdem. Ich resümiere: Deutschland läuft nach Norden hin sehr pittoresk aus.

Warum die Holsteinische Schweiz allerdings so heißt, bleibt mir ein Rätsel. Wegen der paar Hügel? Dann könnte es auch Holsteinisches Hügelland heißen. Aber gleich Schweiz? Es gibt doch auch kein Schweizer Holstein. Was ich meine: Das Attribut adelt doch eher die Schweiz als Holstein. Die Schweiz steht für das Tolle. Ähnlich wie Toscana. Die Toskana nimmt man auch immer her, wenn eine Landschaft extraschön sein soll. Städte mit nur einem Kanal: sofort Venedig. Wer profitiert von den Zuschreibungen: Schweiz, Toscana und Venedig. Aber nicht Holstein, Sachsen oder Franken (alles mit Schweizen) schon gar nicht Esslingen. (Neckarvenedig) Wenigstens heißt es nicht holsteinische Bayern oder Holsteinisches Österreich.

Morgen gleich zu Beginn Malente. Genau: die legendäre Sportschule. Der Inbegriff deutschen Fußballdrills. Wo heute noch manngedeckt wird. Malente. Wo es Breitner, Beckenbauer und Co. so langweilig war, dass sie ausbüxten, aus Malente und aus der ganzen langweiligen Schweiz. Heut würden sie zufrieden am Handy daddeln. Aber damals? Also heimlich mit dem Taxi nach Hamburg. Kleine Welt. Große Welt. Ist natürlich auch ein Generationen-Thema. Holsteinische Schweiz. Da brauchst Du ein paar Semester, um die Swissness zu entdecken. Kann man Breitner und Beckenbauer nicht verübeln, dass die Bahnhofskneipe in Malente zu wenig war. Weltmeister sind sie trotzdem geworden. Aber der berühmte Geist von Malente war wohl eher eine Schnapsflasche aus Hamburg.

Erkenntnis des Tages: Alles Nais bis auf Kiel. Schwäbisch gesagt: Städtebaulich ist Kiel so reizvoll wie Göppingen oder Heilbronn. Nur mit Aldi Nord statt Aldi Süd. Und Hunde-Netto statt normalem Netto.

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