Trockenfahren - Texter Sautter
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Trockenfahren

Trockenfahren

Etappe 2, Hornberg – Ensisheim, 129 km, ca. 1500 Höhenmeter.

Was waren wir euphorisch, heute morgen gegen 11 Uhr. So eine Radtour bringt einen ja komplett runter. Es braucht nicht viel, um uns glücklich zu machen. Was war das für Hochgefühl! Der Michl gleich alberne Witze gerissen. Gemerkt hab ich mir keinen. Aber in der Euphorie halt alles witzig, sogar Kalauer. Und plötzlich wieder super Tret-Rhythmus, beide. Harmonie Hilfsbegriff. Und jetzt warum waren wir auf einmal so gut drauf? Ganz einfach: Regenpause. Nicht mehr und nicht weniger. Bißle freundlich sogar der Himmel, wenn man es gut meint, mit dem südbadischen Himmel. Über die zwei Stunden zuvor wollen wir mal mit dem Schwamm drüber gehen. Einem nassen. Die Wirtschaft oben auf der Passhöhe heißt Landwassereck. Rauf war kacke steil. Runter noch kacker, Sturm von vorne, mit ordentlich Landwasser. Und dann kommst du raus ins Rheintal und merkst es erst vor lauter nassen Klamotten gar nicht, aber siehe da. Kein Regen. Also ne Viertelstunde lang. Danach halt unter der nächsten Wolke weiter geradelt als begossene Pudel. Komm mir bidde keiner mit Luxusreisen. Zumal der Michl gleich gehalten hat an der ersten Kneipe links in Endingen. Michl: „Das sieht doch gut aus, oder?“ Bernd: „Du hast schon den Michelinstern bemerkt?“ Das war dann selbst der Luxusschlampe zu viel. Wie sieht denn das aus, wenn im Sternerestaurant bei der Bestellung ein Bächle unterm Tisch herausquellt.

Will ja trotzdem keiner meckern mit Blick auf die Pegelstände in Deutschland. Die sind ja so hoch wie in unseren Schuhen. Also eher so Kaddestroof. Letztes Jahr sind wir den Gavia runter so nass geworden. Dann fegte von Süden ein Föhn (!) durchs Tal – und unten in Edolo waren wir wieder trocken bis zu den Innensocken. Darum heute Parole: Trockenfahren. Oder halt trockene Gedanken machen. „Alles Kopfsache“, sagte neulich ein Sportskamerad. Autogenes Trockenfahren sozusagen. Nach dem heutigen Tag könnten wir Seminare geben im autogenen Trockenfahren. Teure Seminare.

Weil: Nachmittags nur noch kurze Schauer. Sofort wieder Euphorie. Damit hoch den Texaspass auf den Kaiserstuhl. Das hat sich schon wegen des Bebbers auf der Leitplanke gelohnt. „Love Simoni, hate Meloni“, stand da. Hab bis heute noch nie einen Bebber geküsst. Dazu noch die Info, dass mit Simoni Simon Geschke gemeint ist, der beim Giro fast das Bergtrikot gewonnen hätte und bei der letztjährigen Tour fast auch. Aber halt zweimal nur fast. Beim Radfahren wirst du halt auch ein Held, wenn du nur fast gewinnst. Siehe auch Raymond Poulidor.

Jetzt warum heißt der Texaspass so? Die Tourismuswerbung behauptet, dass die Schleifen einem Lasso ähneln würde. Da muss man schon sagen: Netter Versuch. Ist halt Tourismuswerbung. Ich schreib selber welche. Und weiter: „Die Aussicht sei so fantastisch, dass auf dem Texaspass 2020 im Beisein von Lea Tritschler, der Weinprinzessin für Kaiserstuhl und Tuniberg, „Die schönste Weinsicht Badens“ eingeweiht wurde.“ Ich lass das mal so stehen. Love Simoni. Der Texaspass heißt halt so, weil einer ihn mal so genannt hat. Ein Radfahrer in Weinlaune. Und wenn einer mal Texaspass sagt: ewig Texaspass.

Wir dann rüber nach Frankreich, der autogenen Sonne entgegen. Grad als wir erfolgreich trocken gefahren waren, stand die nächste Dusche am Himmel. Aber Gott in Frankreich immer nah und wir flugs ins Portal eines Gotteshauses. Michl folgt seit vorhin der Kirche von Blitzheim auf Facebook. In tiefer Dankbarkeit. Hat sich übrigens bewährt, das Hotel nach dem Föhn auszusuchen. Heute ausführliche Schuhföhnung angesagt. Der Michl ja zweites Pärchen an Bord. Ich nicht. Regnet ja selten im Juni.

Erkenntnis des Tages: Der schwäbischeste aller Radlergrüsse lautet „Des Hemmer au scho schneller gsäh“. So wurden wir heute nach der harten Nordrampe auf dem Texaspass begrüßt. Von einer schwäbischen Wandergruppe an der schönsten Weinsicht Badens. Was ein ehrlicher Gesprächsauftakt. Da können sich die badischen Weinaussichtswerbetexter gern was abschneiden von.