04 Jun Ratzebutz
Kaffeefahrt, Etappe 4, Arta Terme – Aviano, 95 km, 1.500 Höhenmeter
Samstag in Italien. Plötzlich gehören wir zur radelnden Masse. Das Wetter ist ja auch ein Träumchen. Sogar die Straße hoch zur Sella Chianzutan ist frisch geteert. Wie meistens, wenn der Giro d‘Italia vor kurzem hochgefahren war. Wir kommen aus Gegenrichtung. Praktisch alpenauswärts. Die Sonne klettert mit uns in den Zenit. Der Tag wird ein Besäufnis. Wasser und Lemonsoda. Auf der Abfahrt kommen uns Kohorten Ciclistas (m/w/x) entgegen. Manche angenehm hechelnd. Manche unverschämt locker. Alle genießen den Tag. Wir werfen uns über den Chianzutan ins Bergland Friauls. Eben gibts nicht. Nur rauf und runter. Das Träumchen geht weiter. Viel Wald, viel Schatten, verträumte Dörfer. Dazwischen einige Soldatenfriedhöfe. Auch hier hat der Erste Weltkrieg Furchen hinterlassen. Damals lebten etwa zehnmal so viele Leute in den versprenkelten Weilern. Heute kaum vorstellbar. Wir gehören zu den wenigen Touristen, die am Samstag über die kleinen Sträßchen zuckeln. Hoch zum Balkon von Friaul und wieder runter. Wieder irgendwo hoch und wieder runter. Gelobt sei der Wald. Sonne jetzt senkrecht. Aber Wald intakt, soweit wir das beurteilen können.
An Tagen wie diesen freut sich der gemeine Radler über anständige Form. Gute Beine. Lockerer Tritt. Rhythmus beim Kurbeln und so weiter. Das wird häufig hervorgehoben. Noch nie las ich eine Hymne über die Verdauung. Man muss nicht „Darm mit Charme“ gelesen haben, um zu ahnen, dass du beim Radeln eine Hochleistungsverdauung brauchst. Mal unter uns: Was der Michl am Tisch alles aufsaugt, erstaunlich. Und noch mehr: Ansetzen tut da überhaupt nichts. Bei mir, zugegeben nur wenig anders. Das leichte Sahnesößle (mit einen Becher Creme Double verfeinert) ist Legende. Auf der Lasagne war heute noch fett Butter drauf. Michl noch lecker Waldbeerkuchen hinterher. Und abends trotzdem drei Gänge. Extra viel Salz auf die Pommes.
Und die Verdauung meckert kaum. Obwohl sie allen Grund dazu hätte. Der geht’s so wie uns freischaffenden Kreativen. Entweder du hast kaum was auf den Tisch – oder es kommt alles auf einmal. Was die Bereitstellung der Energie betrifft, wir beide erste Sahne. Werde die Verwunderung der Bedienung nicht vergessen, als wir beide in Slowenien zu Abend gegessen haben. Wohlgemerkt: Slowenische Portionen anders als anderswo. Da wird die Suppe nicht in der Tasse serviert, sondern im Eimer. Also nicht als Suppe, eher als Eintopf. Aber der Michl alles ratzebutz. Eigentlich immer alles ratzebutz. Auch heute. Feine Lasagne beim gut gereiften Hippie-Ehepaar auf dem Dorf. Abends nochmal ein paar Gänge hochschalten. Da wird nicht lange rumgedreckelt, alles im Dienste der Fitness. Morgen schwere Etappe. Bloß kein Hungerast. Also Verdauung steh’ uns bei.
Friaul natürlich wie gemalt. Auch die Speisetafel wie gemalt. Radlers Glück. In den heutigen Etappenziel Aviano fielen wir über den Dorfplatz ein. Da siehst du gleich die Kneipenauswahl und kannst beruhigt duschen. Nur einer störte ein wenig, als wir am Abend wieder dort aufschlugen. Aber wir bleiben konzentriert. Ganz bei uns. Klare Reihenfolge: Erst Pasta, dann Salvini. Tatsächlich traf Hampelmann Matteo Salvini pünktlich zur meiner Pasta Salmone ein. In der Gegend sind bald Bürgermeisterwahlen. Salvini machte eine kleine Tour. 18.30 Aviano. Zum Glück war der Lachs schon tot. Und wir sind Kummer gewöhnt. Stellen wir das Positive in den Vordergrund: Die Pasta war vorzüglich und bei Salvini nur 150 Leute. Lega und Salvini in der Krise. Nichts dagegen. Ich frag mich nur, ob es ein geschickter Schachzug vom örtlichen Bürgermeistern ist, sich einen Hampelmann zu holen, der sogar in der Lega nur belächelt wird. Aber was weiß ich schon? Ich stelle fest: Der feiste Salvini die einzige dunkle Wolke heute. Von dem lassen wir uns weder Pasta noch deren Hochleistungsverdauung vermiesen.
Erkenntnis des Tages: Wenn schon Rennrad-Tattoo, dann auf der Wade. Dort sollte es bis zur Bahre prall bleiben, wenn Du als Radler was taugst.