Napoleon - Texter Sautter
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Napoleon

Buckelgezuckel Tag 2

Jetzt bin ich zwei Tage streng nach Norden gestrampelt und wo gelandet? In Bayern. Ce-fix! Hier in Alzenau nahe Frankfurt firmiert sogar der Fußballklub als „Bayern“, mit einer billigen Kopie des Wappen der Münchener Bayern. Muss man sich fast wundern, dass Rummenigge noch kein Markenrechtsstreit angefangen hat. Die ungerechtfertigte Ausdehnung des Bayrischen geht wohl auf Napoleon zurück. Der sortierte die wirre Kleinstaaterei auf fränkischem Gebiet so, dass die Franken heute noch zürnen. Andererseits ein sehr angenehmes Bayern hier in Unterfranken – so ganz ohne bayrisch. Das Fachwerk sieht eher westfälisch aus. Die Leute sprechen astreines Hessisch. Und die Preise sind angenehm fränkisch. Das mag der Schwabe. Langsam komm ich der Mitte Deutschlands nahe. Auch inhaltlich. Erste Arbeitsthese: Da wartet tatsächlich ne Mischung aus allem. Mittelding Hilfsbegriff. Apropos Sparfuchs: Beim Buchen des Hotels hatte ich was von Golfen gelesen, praktisch Golfhotel, und wunderte mich über die bezahlbaren Preise. Als ich daherrollte, erkannte ich sofort den Irrtum. Das ausgewiesene Adventure Golf ist lediglich die asbestfreie Variante des Minigolfs. Schön hier im Minigolfhotel.

Die Ode an den Odenwald darf nicht fehlen. Zweimal ging’s streng bergauf. Einmal passierte ich Falken-Gesäß. Runder Tritt. Dreißig Kilometer weiter scheuerte mein Hintern durch Weiten-Gesäß. Und immer wieder dasselbe auf meinen Radtouren: Die kleinen Sträßchen sind klasse, aber manchmal überraschend steil-steil. Dafür war der Wald aufs feinste radlertemperiert. Hätte fast im Flachen den Windshot angezogen, mitten im Juli. Sehr erfrischend, dieser Wald. Wenig los überdies. Also eher gar nichts. Auf den Landstraßen bin ich fast erschrocken, als ein Auto kam. Singen wir die Ode an die Öde. Was nicht für Erbach gilt: Wette mein Gesäß, dass das feine Städtchen als Kleinstadtperle vermarktet wird. Erbach ist so mondän, da hat sogar der Fußballplatz eine Galopprennbahn außenrum.

Mit diesem Tag ist auch letztgültig bewiesen, dass sich der gerade Weg nicht zum Reisen nicht eignet. Den Fehler hab ich lange genug gemacht. Eher die gerade Linie gefahren, weil man weiter kommt damit. Falsch. Die Umwege sind’s. Die kleinen schörkeligen Abwege. So bin ich – eigentlich überflüssigerweise – nach Aschaffenburg in einen Ausläufer des Spessarts reingesirmelt. Hat mich Kilometer und empfindliche Höhenmeter gekostet, aber das keilförmige eingeschnittene Tal und der putzige kleine Flecken machten das Strampeln zu wahren Freude. Steinbach im grünen Tal. Wie ich später erfahren habe, auch als Steinbach hinter der Sonne bekannt. Ein Idyll. Nur die Kneipe hatte geschlossen. Kein Kuhdorf ist perfekt. Aber wie willst du eine Wirtschaft betreiben in einem Dorf, das gerade mal 600 Einwohner hat, und sich die Auswärtigen nur dann verirren, wenn sie in Aschaffenburg die falsche Ausfahrt erwischen?

Erkenntnis des Tages: Diese verachtenswerten Schwarzrotgold-Beflaggungen in den Vorgärten werden ausschließlich von Messis in verlodderten Bruchbuden mit Gartengestrüpp hochgezogen. Ich sollte mal eine Bilderserie machen. Aber bitte mit langem Tele. Hab sonst Angst. Das beweist: Deutschland wird ein Sauhaufen, wenn man es denjenigen überlässt, die darauf stolz sind.

Buckelgezuckel Tag 2: Heidelberg – Alzenau, 134 km, Ca. 1500 Höhenmeter

Hirschhorn
Erbach
Aschaffenburg
Aschaffenburg
Steinbach hinter der Sonne