28 Jul 7 Kapellen
Deutschland-Protokoll, Etappe 10 (Pappenheim im Altmühltal – Neusäß), 95 km, 770 Höhenmeter
Eine Woche Rom und keine Kirche von innen gesehen. Krieg ich bequem hin. Das Imageproblem der Kirche, mal egal welcher Konfession, spür ich seit Jahrzehnten. Trotzdem setzte ich heute drei Kapellen auf die Route, um Einkehr zu halten. Nicht Einkehr im Sinne von Speck, Käse und Bier. Nein, Einkehr im Sinne von Ruhe, Gelassenheit und Spiritua… ach, ich will’s nicht übertreiben. Architekturkritik & war auch dabei. Und Neugier.
Im Landkreis Dillingen an der Donau hat eine private Stiftung ein bemerkenswertes Konzept umgesetzt. Sieben moderne Kapellen wurden in die Landschaft gesetzt. Einem traditionellen Kirchgänger würde es vermutlich bei jeder einzelnen Kapelle das Gesangsbuch zuschlagen. Die sieben Bauwerke brechen mit gängigen Konventionen. Überdies sind sie mit einem Radweg verbunden. Hat was von Fahrrad-Kreuzgang. Finanziert wurde das Projekt, von der Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung. Drei der sieben Kapellen, jede von einem anderen Architekten, passten wie gemalt auf meine Route. Nur bei der Auswahl der Baumeister, sollte der Kurator bitte in Zukunft mit mir sprechen. Da fehlt einer. Aber was weiß ich schon?
Im Nieselregen des Donaurieds treffe ich an der ersten Kapelle ein. Zeitgleich mit zwei aufgeschlossenen Herren, die meine Begeisterung für dieses kleine, aber konsequente Bauwerk teilen. Einer der Beiden weiß Hintergründe über das Projekt. Sein Vater kannte Siegfried Denzel, der im Holzbauer groß geworden ist. Holz zur Zeit eh die beste, denkbare Anlageform. Wir sitzen im beeindruckenden Innenraum und besichtigen mit Augen und Händen. Die hölzerne Innenverkleidung hat über riesige Flächen eine handgearbeitete Oberfläche. Natürlich gefertigt in Denzels Firma. Wird ja keiner der Architekten auf ein Material bestanden haben, das nicht von Stifters Firma produziert wird. Holz ist der Werkstoff, der die Bauwerke thematisch verbindet – und der Minimalismus. Das mag ich, so bin ich unterwegs. Hier und da lass ich was in den Hotelzimmern liegen. Dann wird’s noch minimaler. Als wir wieder aus der Kapelle treten, hört der Regen auf.
Das Wetter hat mir schon am frühen Mittag einen außerplanmäßigen Halt aufgezwungen. Der Spruch mit dem schlechten Wetter und der schlechten Kleidung ist übrigens reiner Bullshit. Du musst wissen, wann du durch den Platzregen fährst und wann nicht. Wenn‘s kalt zieht und das Ziel noch weit ist: besser nicht. Wenn danach die Prallsonne rauskommt: Dann rein ins frische Nass. Heute besser Pausetaste drücken. Im Donauwörther Café treffe ich zwei weitere Tourenfahrer, die am selben Tag in Schleswig losgeradelt waren. Der Holsteiner sagt, in süddeutschen Dörfer wäre kein Mensch auf der Straße. Außerdem findet er, es gäbe hier weniger Vögel. Aha. Wir tauschen die unterschiedlichen Perspektiven auf Deutschland aus. Nur auf eines lege ich wert: Wir arbeiten halt, statt nur irgendwo rumzulungern. Das mit den schrägen Vögeln nimmt Holger von alleine zurück, nachdem wir geplaudert hatten.
Erkenntnis des Tages: Wir stehen vor dem Zeitalter des Nacktschneckozäns. Wenn die Menschheit an ihrer eigenen Unfähigkeit zugrunde geht, werden Nacktschnecken den Planeten übernehmen. Auf den Radwegen ist es abzulesen, an meinem Gemüsebeet leider auch. Es gibt nichts mehr, was wir daran ändern können.