Heimatforscher - Texter Sautter
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Heimatforscher

Filippo Catalodo und Michael Panzram von der Schwäbischen Zeitung haben ein feines Interview geführt. Headline: Der Fußballgott hat auf Wangen gezeigt.

Heimatforscher oder Groundhopper? Was von beidem er genau ist, weiß Bernd Sautter nicht genau. In jedem Fall ist er Fußballfan und gerne live im Stadion. So gerne, dass er seine journalistische Ader und seine Fußballleidenschaft zusamengeworfen und ein Buch geschrieben hat. „Fußballheimat Württemberg“ ist eine Liebeserklärung, die sich beim Lesen erst auf den zweiten Blick erschließt. Was ihn zum Buch animiert hat und was er bei seinen Recherchereisen erlebt hat, hat er Michael Panzram und Filippo Catalodo erzählt.

Wie kam es zum Buch „Fußballheimat Württemberg“?

Ich bin Groundhopper und schreibe auch gerne in meinem Blog www.propheten-der-liga.de über die Dinge, die ich erlebe. Ich bin einfach großer Fußball-Fan, mein Herz schlägt für den VfB Stuttgart. Aber davon allein wird man im Moment ja nicht glücklich. Auch internationalen Fußball finde ich klasse. Irgendwann habe ich aber festgestellt, dass ich über Fußball in Sheffield und Santander mehr weiß, als über den vor der eigenen Haustür. Das wollte ich ändern. Deshalb habe ich mein erstes Buch geschrieben „Heimspiele Baden-Württemberg.“ Das hat so gut geklappt, dass sich ein zweites ergeben hat. Dazu sollte ich 100 Orte, die mit Fußball zu tun haben, in Württemberg vorstellen.

Fiel die Auswahl schwer?

Einige der Orte habe ich natürlich schon gekannt, bei anderen habe ich geahnt, dass ich über sie eine interessante Geschichte erzählen kann. Und kuriose Zufälle gab es naütlrich auch. Nach Grömbach bin ich zum Beispiel gekommen, weil ich ein Mitglied vom Bierdurschtverein Stuttgarter Kickers kannte. Und die zeichnen immer den Verein mit dem besten Bierstand des Jahres aus. 2017 war das Grömbach, so bin ich dahin gekommen.

Den FV Ravensburg bezeichnen Sie als „übersehenen Traditionsverein“. Wieso?

Ravensburg ist ein bemerkenswerter Verein, dess Frühgeschichte viel zu wenig erforscht ist. Das Gründungsjahr1893 kann ich mir gut merken, weil es das gleich wie das des VfB Stuttgart ist. Bis nach dem Ersten Weltkrieg tauchen die Ravensburger gar nicht in Ergebnislisten auf. Die haben in einer Bodensee-Nachbarschafts-Liga mit Vereinen aus Österreich und der Schweiz gespielt, über die wenig überliefert ist. Da wurde kaum Buch geführt. Das ist unheimlich schade. Gerade die grenzübergreifenden Spiele.

Wie war Ihr Eindruck vom Ravensburger Stadion im Wiesental?

Da hab ich großes Pech gehabt. Als ich den FV im Febraur besucht habe, fand das Spiel auf dem Kunstrasenplatz statt. Deshalb hatte ich leider kein eigenes Foto für das Buch (…) Dazu kommt, dass ich auch nicht in den Genuß kam, vom schönen Biergarten an der Hauptribüne direkt aufs Spielfeld zu blicken. Erst diese Woche traf ich einen Fan der Stuttgarter Kickers, der deswegen vom Wiesental schwärmte.

Und wie war es im Stadion vom TSV Berg?

Da war es auch arschkalt. Ich hab natürlich mit Präsi Herrmann Müller gesprochen, der mir gleich die Stadionwurst als beste der Welt anpries. Wie oft ich das schon gehört habe. Aber nach dem ersten Biss dachte ich: Verdammt! In Berg hat’s gestimmt, die Wurst war tatsächlich super. Dazu, das hat Herrmann Müller extra erwähnt, der Wasserwecken. Ein wirklich sensationelles Fünf-Sterne-Menue – und das auf dem Fußballplatz. Kann ich jedem Kulinariker nur empfehlen.

Und wie hat die Wurst beim FC Wangen geschmeckt?

Die war auch sehr gut, auch wenn sie nicht an Berg herankommt. Wangen ist aus einem anderen Grund ein besonderer Ort in meinem Buch. Da steht nämlich, das ist meine ganz persönliche Meinung, das mit Abstand schönste Stadion in ganz Württemberg.

Was macht den besonderen Charme des Allgäustadions aus?

Es liegt in Laufweite zum Marktplatz – und hat dennoch rundherum eine wunderbare Naturkulisse. Einmalig! Das Stadion ist seit Jahren unverändert, atmet Geschichte. Das ist wundervoll für jeden Gast, von den Duschen mal abgesehen. Es ist, als hätte der Fußballgott auf Wangen gezeigt, als er sich rausgesucht hat, wo das schönste Stadion stehen soll.

Der damalige DFB-Funktionär Herrmann Selbherr, damals in der Öffentlichkeit bekannt als Mann mit den Kugeln bei den DFB-Pokalauslosungen, und Ehrenpräsident des FC Wangen wird in Ihrem Buch mit dem Satz zitiert. „Die Hölle von Wangen findet leider nicht statt.“ Da ging es um ein Spiel vor einer eher kleinen Kulisse. Sie beschreiben aber auch eine Szene, als in EWangen viel mehr los war. Nämlich auf dem Marktplatz. Wie kamen Sie darauf?

Das liegt an der Nationalmannschaft Togos, die während der WM 2006 in Wangen ihr Langer aufschlug. Und das war auch auf dem Marktplatz spürbar bei den Liveübertragungen. Besonders schön: Es hat sich eine länderübergreifende Freundschaft entwickelt, die heute noch besteht. Ein schönes Beispiel dafür, was der Fußball leisten kann.

War Wangen der schönste Ort, den Sie besucht haben oder gab es noch ein anderes Highlight?

Wangen war der schönste Ort, mit Abstand. Aber Fischingen war auch speziell. Da gibt es eine 50 Jahre alte Tribüne, die genau 50 Leute fasst. Da steckt eine wundervolle Geschichte dahinter. Der damalige Präsident hat das angekurbelt. Erst gab es eine überwiegende Zustimmung für seine Idee. Aber er ist dann trotzdem zurückgetreten. Plötzlich waren alle dafür, einstimmig. Dann hat er wieder das Amt übernommen und die Tribüne wurde gebaut. Ein echtes Kleinod. Aber sicher nicht das einzige in Württemberg. Davon gibt es ganz viele. Man muss nur genau hinschauen. Und hinfahren, um den Fußball vor Ort zu erleben und zu feiern.

Eine besondere Anekdote gibt es zu Altshausen, in der Jürgen Klinsmann, ein Adliger und der Satz „Geh weg, du Saubauer“ eine Rolle spielen. Erzählen Sie mehr!

Mir hat einer gesteckt, dass in Altshausen noch der Graf von Württemberg am Spielfeldrand steht. Da habe ich recherchiert und bin auf eine Chronik über den dortigen Fußballklub gestoßen. Da stand eben die Geschichte drin, dass Klinsmann Anfang der achtziger Jahre mit dem VfB Stuttgart ins Altshausen spielte und seinen Gegenspieler Eduard von Württemberg entspreche zurechtweist. Wer da sein Gegenspieler war, erfuhr der junge Klinsmann erst nach dem Spiel beim Bankett.

Warum tauchen zum Beispiel auch die Bäckerei Klinsmann und die Grabkappelle auf dem Württemberg im Buch auf?

Fußball ist nicht nur ein 1:0, es ist so viel mehr, Alltagskultur, das wollte ich mit solchen Beispielen ausdrücken.

Zum Schluss bleibt in „Fußballheimat Württemberg“ eine Seite frei, auf der Leser einen eigenen Ort eintragen können, den Sie vergessen haben. Haben Sie schon Tipps bekommen?

Einige. Aus dem Allgäu und aus Oberschwaben war aber noch keiner dabei. Vielleicht ja nach diesem Interview. So ein Buch kann ja nie vollständig sein. Aber ich freue mich über jede Zuschrift. Vielleicht springt ja nochmal ein Buch dabei raus.

Hier geht’s zum Podcast der Schwäbischen Zeitung: Anschwitzen!