27 Sep Eigenwillige Neubauten
Dienstreise, Etappe 4, Habay-Le-Neuve – Bertrix, 55 km, ca. 650 Höhenmeter.
Der Papst hat’s in Luxemburg nicht lang ausgehalten. Kurz im Papamobil rumgeflitzt. Schon hatte er alles gesehen und alle gesegnet. Gestern Abend bereits ist er in Belgien eingetroffen, wie mir meine Frau berichtet, die fortan als päpstliche Followerin gelten darf. Da steh ich in nichts nach, obwohl das Land, das in Belgien untenrum auf der Karte liegt, sich ebenfalls Provinz Luxemburg schilt. Bin gestern Abend papstgleich nach Belgien vorgedrungen. In das Land, dass ich jederzeit als besseres Frankreich verteidigen würde. Jacques Brel, René Magritte, Viktor Lazlo, Georges Simenon, Hergé, Plastic Bertrant – könnte man alle für französisch halten. Vom Kulinarischen muss ich gar nicht erst anfangen. Waffeln, fette Pralinen, fantastisches Bier und dreifach frittierte Pommes. Abgesehen davon kann die Küche, die in kleinen Mengen auf großen Tellern serviert wird, dem Französischen bequem das Wasser reichen. Und vom Radsport muss ich gar nicht anfangen. In Frankreich mochte man Belgien nie. Weil sie gern mal vorher im Ziel waren, die zähen Flandriens. Einen Merckx hatten die Franzosen nie.
Die Hymne auf Belgien musste sein, da ich irgendwo rumcruise, wo mal gar nix geboten ist. Auch schön, lauter Landschaft, ein paar Dörfer mit eigenwilligen Neubauten. Wenn mir nicht das, was der panische Kachelmann als potentielle Tornandogefahr bezeichnet, volle Kanne ins Segel bläst, würd’s mir noch besser gefallen hier. Klarer Planungsfehler. Nie längere Etappen nach Westen planen. Bis nach Charleroi komm ich never. Außerdem kommen da hinten die dunkleren der dunklen Wolken. Trotzdem freu ich mich, durch Warmifontaine zu cruisen. Assoziationsstarke Namen aus den Paradies. Daneben liegt Grapfontaine. Fällt etwas ab, find ich. Mein Ziel bis Mittag heißt Bertrix. Hört sich an als hätte Asterix bei den Belgiern einen Gallier dagelassen. Als ich da schaut die Sonne kurz raus. Mieser Trick. Ich fall nicht drauf rein und nehme Cappuccino und die Bahn.
Bertrix eines der Zentren des Ardennenschiefers. Drum sind die Altbauten hier immer so trist. Dächer, Fassaden, fast alles Schiefer. Hier hat das Zeug im großen Stil abgebaut früher. Heute braucht man den nur, wenn man im Achtziger-Angeberstyle Essen servieren will. Sonst kaum. Auch die meisten Neubauten haben Schiefer. Schiefersplitter in der Einfahrt. Viele Neubauten vogelwild, nur eines haben fast alle: diesen tiefen Schieferschotter vor der Garage.
Bisher kaum was von Radfahren geschrieben, gell. Kein Wunder. Ich sitz längst im Zug. Drum hat der Schienen, damit er trotz Wind gradaus fährt. So erreich ich locker Charleroi. Das wurde mir von Fachleuten ähnlich attraktiv angekündigt wie Offenbach und Mönchengladbach. Aber man muss nich gleich übertreiben. Sagen wir Bochum. So wie man zu dieser Region auch belgischer Kohlenpott sagt.
Erkenntnis des Tages: Jetzt versteh ich den Sportskameraden, der die „Ugly Belgian Houses“ sammelt. Er meinte neulich, die ugly houses zu fotografieren, wären nicht die Herausforderung. Die gäb‘s zahlreich. Die Schwierigkeit wäre die lustigen Captions zu finden. Das sei die wahre Challenge. Zum weiteren Erkenntnisgewinn bitte Ugly Belgian Houses googeln. Genau mein Humor.