Babybecken - Texter Sautter
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Babybecken

Kaffeefahrt, Etappe 5, Aviano -Feltre, 85 km, 1.400 Höhenmeter

Neulich mit einem Tourismus-Experten gesprochen. Wohin er selbst in Urlaub geht. Er sagt: „Dort wo Wein wächst.“ Wobei man wissen sollte. Er ist überhaupt kein Wein-Fan. Also keiner von der Sorte mit Weinproben und wichtig ins Glas glotzen, und bedeutungsvolle Reden und alles besserwissen als der Sommelier. Wo Wein wächst, sagt der Touristiker immer super Reiseziel. Da bleibt oft das schöne Wetter stehen. Kneipen sind auch da, wo der Wein wächst, meistens in großer Auswahl. Und die Leute wären auch o.k. Er sagt, diese Regionen sind auch für Biertrinker zu empfehlen. Recht hat er. Heute Weingegend. Wir streifen am Rande der Po-Ebene durch die Colli de Cogniliano. Etwas Ebene heute zum Einrollen. So war’s gedacht, denn wo Wein wächst… da hat er schon recht, so schön hier. Hübsch rausgeputzt. Menschen in sichtbarer Sonntagmorgenlaune. Wir feinen Herrn auf dem Rad auch ganz in Grüßlaune. Ciao hier. Salve da. Aber klar doch. Kaum noch von Italienern zu unterschieden, wir beiden. Schon ganz verschmolzen hier.

Andererseits als Radfahrer: Wo Wein wächst, gerne auch unruhiges Gelände mit Tendenz zu Drecksrampen und dass die Sonne stehen bleibt, auch nicht immer ein Vorteil. Heißt ja nicht Weinebene. Sondern Weinberge. Und Warmfahren war heut auch nicht notwendig. Heiß ist’s schon am Morgen. Gefühlt wie 40 Grad. Man kann sich Radeln heute vorstellen wie Strampeln auf dem Spinningrad im Babybecken. Eher Luftblasen im Wasser als Feuchtigkeit in der Luft. Ey, hab ich Kiemen, oder was? Luft so dick, dass du auf dem Fahrrad überlegst, ob man das Teil auch auf Kraul stellen kann. Hitzewellen auf schwarzem Asphalt. Nur, dass Du bergauf schwimmen musst. Um bei der Wahrheit zu bleiben: Da sind die feinen Herren aber mächtig ins Schwitzen gekommen. Eher so Fraktion Rote Meggel.

Aber Belohnung natürlich grandios. Blöderweise wieder so ne Weltkriegsgeschichte. Der Passo San Boldo wurde 1918 in den Fels gehauen. Fünf Serpentinen sind in Tunneln. Du fährst quasi Zickzack die Felswald hoch. Aber nicht mehr als 12 % Steigung. Kaum zu glauben, dass man das in schlappen drei Monaten hinbekommen hat. Am liebsten wär ich in den Tunneln geblieben. Schön kühl da drin.

Jetzt warum hab ich vorher von feinen Herrn gesprochen? Beim Michl weiß man ja, dass er den Caffè immer mit Unterteller. Also schon Stil und so. Biddeschön. Aber selbst der feine Herr hatte an den letzten beiden Quartieren nichts zu meckern. In Aviano venezianische Villa, frisch stilvoll renoviert. Wir die einzigen Gäste. Jetzt in Feltre wieder Villa, wieder einzige Gäste und vorhin mit der Familie im Park noch Gesellschaft gehalten. Das alles trotz Budgetbuchung, schwöre. So ist das halt, wenn der Wein nicht weit ist. Da hat der Tourismus-Experte schon recht. Wo Wein, auch die Leute bene. Da werden auch die feinen Herren gleich an den Tisch geladen. Und am Ende ist die Gesellschaft besoffen. So gerade geschehen, schwöre. Natürlich nicht die Touristen. Morgen Feine-Herren-Bergetappe. Die Freunde der Hausherrschaft: Bereits angeschickert als die feine schwäbische Delegation erschien und beim Arriverderci dann mächtig Schlagseite. Gastfreundschaft natürlich 1A, keine Frage.

Erkenntnis des Tages: Es gibt hier Hecken, die stinken, wie die Raumduft-Sprays der Siebzigerjahre. Wenn du da vorbeifährst, kriegst du einen Flashback und riechst dich bei Oma am Kaffeetisch sitzen. Das stinkt wie damals als dein Rad noch Stützräder hatte.

Aviano, Villa Partizan Trevisan
Tovena
Passo San Basso
Paderno