25 Mai Latte Matschiado
Passkontrolle, Tappa sette: Verbania – Osteno:
80 km
Genussetappe. Vom Lago Maggiore rüber zum Lago di Lugano, oder wie die Isländer sagen, vom Matschiado zum Ladde Lugano. 80 km fast flach. Da kann man schon mal einen Gin&Tonic am Vorabend genehmigen. Dass auch Genussetappen mit Strampeln verbunden sind, offenbart sich am nächsten Morgen.
Gaaaanz schlechter Auftakt: Die Kaffeeautomatenbehauptung entpuppt sich als Blinklichtorgel mit üblem braunen Abwasser. Nix was meinem Kreislauf hilft. Erst nach zwanzig Kilometern sorgt ein ordentlicher Caffe für den notwendigen Tretmühlenrhythmus. Zwischen Matschiado und Latte Lugano auch Industrie, Tankstellen, Industriebrachen und doofe Radwege. Aber auch kitschige Postkartenmomente und Bonzenvillen mit vollverspiegelten Nobelkarrossen in den Parkbuchten. Irgendwie gestrig dieser Wohlstand. Vermutlich leben dort menschliche Auslaufmodelle. Oder leide ich etwa unter Sozialneid? Will ich jetzt nicht wissen. Doch die Wohlstandskritik wird unterbunden von brennenden Waden und hohem Puls. Gin&Tonic wird ein weiteres Mal von der Sportlerernährungliste gestrichen.
Bald erreichen wir Osteno, das „Atelier Süd“ von Michl. Natürlich im Regen, unser Wetter. Aber jetzt ist es egal, denn Michl hat ne feine Dusche. Außen! Mit Blick über den Luganer See. Ich stelle das Wasser sehr heiß. Der Duschkopf ist auf Zweimeterfuffzig. Bis das Wasser bei mir unten ist, sind schon ein mehrere Grade futsch. Wein kommt ins Spiel. Am Abend bekommen wir vom Wirt einen Doppelten spendiert. Weil ich ihn zu schnell kippe, schenkt er nochmal bis oben nach. Grazie Mille. Das Zeug wirkt morgen garantiert besser als Gin&Tonich. Hoch die Tassen auf die guten Vorsätze! Ob Michls Cowboygang dem Grappa oder den Bergetappen geschuldet ist, ist jetzt auch wurscht. Die Vorfreude auf morgen ist intakt. Morgen fahren wir nur wenig. Wir lassen fahren. Und endlich geht es um echten Radsport.
Erkenntnis des Tages: Für die philosophische Betrachtung über Vorwärtskommen, Ankommen und das Ziel als Weg ist es jetzt zu spät. Ein Andermal vielleicht. Ist noch Wein da?