Pas de Probläm - Texter Sautter
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Pas de Probläm

Ronde, Etappe 2, Bergzabern – Neunkirchen, 119 km, 1.400 Höhenmeter.

Im Nebel ruhet noch die Welt /
noch träumen Wald und Wiesen /
bald hörst du wenn der Sautter bellt /
die Kraftausdrücke unverstellt /
herbstkräftig er am Mantel zerrt /
bekommt er tausend Krisen.

Die NASA schickt Sonden zum Mond, um Asteroiden abzulenken. Aber ein einfaches Werkzeug um einen strammen Rennrad-Mantel mühelos aufs Laufrad zu zaubern, das ist nicht erfunden. Bevor ich jetzt 1001 Tipps bekomme: ja, es liegt an mir. Schon immer. Drum nehm ich mir Zeit, hetzen lohnt nicht, hab‘s ja nicht eilig, außerdem ne schöne Bank an einem zauberhaften Radweg an der Wieslauter. Auch den Pegelstand hatte ich gecheckt, weggeschwemmt werd ich heute nicht, die Welt ist schön, man sollte öfter morgens um Acht durch den Pfälzer Wald radeln, kaum ein Auto auf den Sträßchen, die sich allerfeinst das Tal hochwinden. Regnet nicht mal, obwohl die Wolken tief in den Höhenzügen hängen. Alles prima, Träumchen nachgerade, Paletti Hilfsbegriff. Nur dieser Mantel ist ein Arschloch. So. Nach ner halben Stunde ist er dann doch drauf. Etwa genau in dem Moment als eine kleine Laufgruppe des Weges herschnauft. Sie fragen mich was französisches, vermutlich was nettes. „Och“, sage ich unter Verwendung von drei der fuffzehn Vokabeln aus meinem Franz-Wortschatz, „äh, pas de probläm“. Der Satz „Das Arschloch hat verspielt“ auf Französisch hätte ja keinem weiter geholfen.

Fast ein Wunder, dass da jemand joggt. Nix los in dem Wald. Nicht mal Motorräder. Als durch und durch positiver Mensch schnapp ich mir sogar einen Umweg über Nothweiler und Gimpelhof, um eine weitere Bergwertung und ein paar Kilometer La France einzubauen. Pas de Probläm. Sieht übrigens verdammt nach Regen aus in Deutschland. Aber ich will ja nach Flandern, also erstmal das Saarland kreuzen. Die Pfalz verabschiedet sich mit Pirmasens, praktisch Pforzheim auf Hügeln. Mittags wär‘s, doch die Pirmasenser Takeaways im Bahnhofsstyle eher naja. Also besser zum nächsten Landgasthof. Schuhstadt sagt man ja. Lange her. Inzwischen nur noch Sohlen. Aber fast für ganz Adidas. Ich erweise den FK Pirmasens mit einer Stadionrunde die Ehre. Homburg und Neunkirchen stehen heute auch auf der Route.

Erstmal Landgasthof. Gar nicht so einfach. In Rieschweiler finde ich Dieters Bierstubb. Knallvolle Wirtschaft. Riesiges Buffet. Im Wintergarten grad noch Platz. Dieter sitzt auch da. Feiner Typ. Er führt die einzige Gaststätte, die im unteren Schwarzbachtal noch übrig geblieben ist. Familienbetrieb. Nebenbei vertritt er einen österreichische Schnapser in Deutschland. Natürlich genau mein Lieblingsschnapser. Aus Hörbranz, der einzige, der den legendären Subierer… Plötzlich wird‘s laut. Die weibliche Dorfjugend füllt den Raum mit starker Präsenz. Fünf Exemplare reichen nach dem In-Duft der aktuellen Jugend. Ich krieg einen Zettel mit dem Programm der bevorstehenden Kerwe. Straußjugend nennen sie sich. Sie organisieren die Kerve und übernehmen die Promotion. Früher waren es nur Straußbuwe, traditionell. Aber man geht mit der Zeit. Die Straußmädle bestellen Dunkelbier und Eierlikör. Dadurch wird‘s nicht leiser. Strauß kommt wohl von der Deko am Kerwebaum, der maibaumartig im Dorf ausgestellt wird. Nur wenige Schlucke später, bin ich zur Kerwe eingeladen. Wär ich bloß nicht so ehrlich gewesen… „ja, klar komme ich“ wäre die richtige Antwort gewesen. Eierlikör verträgt kein Widerspruch. Etwas verlegen verzupfe ich mich an den Tresen und stoße mit Dieter und Original Subierer Birnenschnaps auf erfolgreiche Promotion an.

Draußen pisst‘s. Zwei Stunden lang sagt der Regenradar. Da nur der Schnaps hochprozentig war und nicht die Steigungen meldet sich Flandern mit einer Portion Wetter. Also gut. Ich wollte das so. Ein Flandrien in spe muss da durch. Die Flandriens, französisch und leicht verächtlich „flahutes“ genannt, werden außerflandrisch viel zu wenig geschätzt. Belgien ist halt klein. Und der Kult macht an Landesgrenzen halt, vor allem an der französischen. Die Grand Nation mag ihre eigenen Helden. Sie sind es auch, die in der Fachliteratur in höchsten Tönen besungen werden. Belgier stören da meistens. Nur über Eddy Merckx wurde auch in Frankreich viel geschrieben. Beim Rest der Belgier handelte es sich ja nie um Ästeten auf dem Rad. Sagen die Franzosen. Wir Deutschen haben mehrheitlich die französische Sicht übernommen. Die deutschen Autoren und Journalisten haben halt vor allem französische Quellen übernommen, oder waren selbst bei der Tour, Recherche in Landessprache. Wie unser Bester, Hans Blickensdörfer, ein absoluter Fan de France. Der große Erzähler hat unsere deutsche Sicht auf die Tour und den Radsport wesentlich geprägt. Seitenlang schreibt Bli über die Französischen Fahrer, über die französischen Helden und über die französischen Sieger. Die Einseitigkeit sei ihm verziehen, dem großen Bli selig, dem vielleicht besten, der je in Pforzheim geboren wurde. Soviel zu Ehrenrettung der Stadt. He, hat da grad jemand was von Stefan Mappus gesagt?

Erkenntnis des Tages: Wenn es pisst, und ich nass bin inklusive der wasserdichten Socken interessiert mich das legendäre Homburger Waldstadion überhaupt nicht. Und das Neunkirchner Ellenfeld… ach… fahr ich morgen hin.

Übergang in die Nord-Vogesen
Bobenthal
Hirschthal
Dellfeld