Junger Mann - Texter Sautter
17559
post-template-default,single,single-post,postid-17559,single-format-standard,ajax_fade,page_not_loaded,,footer_responsive_adv,qode-theme-ver-9.2,wpb-js-composer js-comp-ver-7.9,vc_responsive

Junger Mann

Grenzerfahrung, Etappe 4: Reitwein – Cottbus, 120 km, 650 Höhenmeter

Artenreichtum an der Oder natürlich enorm. Viele Ornithologen dort. Auch Botaniker streifen durch die Auen. Für die Möven braucht man keinen Feldstecher. Die kann man sogar als Radfahrer erkennen. Intelligente Viecher sind das übrigens. Um Muscheln zu knacken, lassen sie die Dinger von hoch oben auf geteerte Straßen fallen, wo sie in viele Teile zerschellen. Auf dem Radweg kann man die weißen Splitterreste gut erkennen. Oder reinfahren. Was uns schon am frühen Morgen platt macht und zeitlich ins Hintertreffen bringt. So ist das halt auf Tour. Irgendwas ist immer. Darauf erstmal eine rote Fassbrause.

Frankfurt/Oder in feines Licht getaucht. Kommt ja auch sehr drauf an, ob du eine Stadt im Novembernebel kennen lernst oder bei Sommersonne im Zenit. Wer rechtwinklige Architektur schätzt, kommt gewiss auf seine Kosten. Als malerisches Kontrastprogramm nehmen wir den Radweg durch das Schlaubetal. Ein Kleinod zwischen den endlosen Kiefernwälder. „Bißchen wie Wutachschlucht“, sagte die Wirtin der Pension, die aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis stammt. „Nur eben in Brandenburg, wo sowas überraschender ist“. So ist das eben in Deutschland: Entweder rechtwinklig wie Frankfurt oder mit reichlich Ornament wie in der putzig-puppenstubigen Gartenwirtschaft Schlaubetalmühle, wo man nicht weiß, ob es noch ein Hang zur liebevollen Verzierung ist oder schon eine Unfähigkeit, den Gartennippes auf einem Schrotthaufen zu entsorgen.

Die ansatzlosen Anraunzungen, die vereinzelte Pommern uns entgegen schmetterten, hier in Brandenburg eher weniger. Wirklich sehr freundlich alle. Vielleicht liegt’s an Pfingsten, vielleicht an uns oder doch an der Mentalität der Leute. Die Anrede „Junger Mann“ hörten wir schon oft in diesen Breitengraden. Wobei man wiederum sagen muss: Als Süddeutscher weiß man dann doch nicht so recht. Das sagt man bei uns zu Teenies, die man nur so semi voll nimmt. Oder eben ironisch zu Senioren. Hier wird man das Gefühl nicht los, dass die „Junger-Mann“-Sager die Anrede völlig arglos verwenden. „Junger Mann, würden sie uns mal fotografieren?“ Na klar, gerne. Die freundliche Dame wollte uns garantiert nicht hochnehmen, aber eben „Junger Mann“. Nimmt sie uns nicht für voll? Müssen wir erst noch mit fertig werden.

Erkenntnis des Tages: Beim Radeln ist’s höchstfein, dass man die Wälder auch olfaktorisch wahrnimmt. Welch Düfte! Welch Sinnesfreuden! Das loben die Radfahrer mit Vorliebe. Gerne verschwiegen in diesem Zusammenhang werden Recyclinghöfe und Müllkippen in der Mittagssonne.

Oderbruch am Morgen
Frankfurt/Oder
Frankfurt / Oder
Frankfurt / Oder
Endlose Kiefernwälder
Kraftwerke beim ehemaligen Tagebau vor Cottbus