Magazin-Reportage - Texter Sautter
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Magazin-Reportage

Mal kurz von einem Dorf zum anderen fliegen. Dafür hat Gustav Mesmer mehr als tausend Ideen entwickelt. Seine Basis: klapprige Fahrräder. Sein Lebenswerk: Art Brut. Mein Beitrag für das fahrstil Magazin #36 Kunst.

Um gleich mit dem populären Irrtum aufzuräumen: Gustav Mesmer, Flugradbauer, ahnt sehr wohl, dass er mit seinen Flugapparaten niemals fliegen wird. Nicht mit dem Doppel Maikäfer Flügel Flugrad, nicht mit dem Luftschaukel Drachen Deck Flugfahrrad und vermutlich auch nicht mit dem Techadler, der Luftschnecke, dem Sternschraub oder dem Lufthäng. Mesmer weiß sehr wohl: Sein Material ist ungenügend, seine Mittel begrenzt und seine Prototypen zu schwer. Aber als Erfinder darf er sich von den Kleinigkeiten nicht bremsen lassen. Es geht ja um mehr, ums Prinzip. Und nicht darum, ob er bei seinen Flugversuchen auf dem Feldweg gegenüber der Buttenhausener Eichhalde tatsächlich abhebt oder nicht. Gustav Mesmer, Flugradbauer, begreift sich als Wegbereiter. Er zeichnet, entwirft und konstruiert, um die Menschen einen entscheidenden Flügelschlag weiter zu bringen. Seine Prototypen, so der Flugradbauer, sollen Andere verfeinern. Andere, die leichtere Materialien und Werkzeuge haben als die seinen, die er selbst angefertigt, in seiner eigenen Werkstatt. Als Erfinder reicht ihm das, was anderswo übrig bleibt. Für seine Modelle verwendet er Materialreste, übrige Düngersäcke, gebrauchte Regenschirme oder ausrangierte Fahrräder. Jeden rostigen Nagel biegt er sorgfältig gerade, um ihn wieder zu verwenden. Das muss reichen. Wichtig ist nicht die Perfektion, sondern die Idee dahinter. Der große Menschheitstraum vom Fliegen muss mit einfachen Mitteln zu realisieren sein.

„Wie der Mensch zu fliegen vermag, muss zuerst erfunden werden. Tut man nichts, geschieht auch nichts.“

Deshalb ist dem Erfinder klar: Wenn man als Mensch fliegen will, muss man es eben ausprobieren. Vögel können fliegen. Fledermäuse schaffen es. Sogar Insekten. Alle brauchen keinen technischen Firlefanz. Ausgerechnet er als Mensch soll sich damit abfinden, nicht fliegen zu können? Diese Herausforderung treibt den Flugradbauer an. Sein ganzes Leben lang. In seinem unverwechselbaren Duktus appelliert er an sich selbst. Er schreibt: “Du hast vom Schöpfer die Fähigkeit erhalten, für dich selbst zu erschaffen. Mache dir die Erde untertan. Mache auch dir die Luft untertan, es wäre jetzt bald Zeit, nach abertausenden Jahren.“ Mesmer lebt dafür, dem Traum vom Fliegen nahe zu kommen. Schon am Boden muss man das richtige Fluggefühl entwickeln. Es schert ihn wenig, was die Leute in Buttenhausen auf der Schwäbischen Alb über ihn erzählen. Sie nennen ihn „Ikarus vom Lautertal“, wenn er mit seinen abenteuerlichen Apparaten den Feldweg hinunter brettert, nur um ein Gefühl dafür zu erhalten, ob es so vielleicht klappen könnte mit dem Abheben. 

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fahrstil, das Radkulturmagazin. Ausgabe 36 #Kunst.