06 Jul Weinkönigin
(Buckelgezuckel, Tag 1)
In diesem kleinen Häuschen hab ich damals meinen ersten Vollsuff kassiert. Oder es war die Hütte rechts daneben? So genau kann ich mich nicht erinnern. Die kuschelige Wengerterstube thront hoch über der Roßwager Halde. Ob der Wein der beste der Region ist, soll der Punkteparker sagen. Die Lage ist jedenfalls die allerbeste. Wie jede Wengerterstochter hatte Anita damals nicht nur genügend Wein bevorratet, sondern auch Schnaps. Wir waren jung. Falls sie heute das Bild sieht, wird sie garantiert meckern. „Typisch Saudi,“ würd sie goschen, „da ist er einmal im Wengert, natürlich grad dann, wenn es nichts zu tun gibt, und dann auch noch fünfunddreißig Jahre zu spät.“
Habe die gute alte Heimat in die erste Etappe eingebaut. Der Besuch bei den Eltern in Aurich, wie immer vorzügliche Nährstoffe dort. Schwäbisch währt am längsten. Mit gefüllten Speichern über Stromberg und Heuchelberg hinweg ins Kraichgau. Aber halt! Muss noch was zu Gündelbach loswerden. Das liegt tief vergraben zwischen zwei Höhenzügen. Auch dort Weinberge, dort scheint die Sonne so grad noch hin. Ob unten im Dorf je ein Lichtstrahl gelandet ist, da waren wir uns schon früher unsicher. Wenn du in reinfährst, begrüßt dich per Plakat die Deutsche Weinkönigin in der Version 18/19. Mit Namen Carolin Klöckner, Gündelbacherin. Jetzt echt: Da wächst eine nach. Als ob die unsägliche Julia, deutsche Weinkönigin der Amtszeit 95/96 nicht genug wäre. Die nächste grinsende Klöcknerin mit identischer Qualifikation kommt aus dem Stromberg. Aufgewachsen ohne Licht. Plakat kann sie schon mal. Reicht ja, sagen viele.
Stromberg weinköniginneutral betrachtet eine sehr feine Region. Durfte kürzlich für die Touristiker des Landes einen Text über schöne Gegend schreiben. Also die eigene Heimat besingen. Komisch, danach wieder ganz andere Einstellung. Dass man sich selbst überzeugt beim Schreiben ist ja wohl das mindeste, was man bei der Arbeit von mir verlangen kann. Die Gegend firmiert ja werbetextlich schon lange unter dem Etikett „Land der 1000 Hügel“. Und ist tatsächlich traumhaft. Die Anstiege hören etwa dort auf, wo ich nicht mehr kann. Nicht so wie anderswo, wo die Berge dann erst anfangen. Und wenn du hinten runter fährst ins Kraichgau sind die Dörfer plötzlich irgendwie französisch, so Haus an Haus direkt an der Straße. Ob das jetzt schön ist oder nicht muss ich noch mit mir diskutieren. „Anderswo ist auch scheisse“, fällt mir ein. Aber ich bin nicht aus dem Pott. Daheim ist schon klasse.
Erkenntnis des Tages: Die Etappe eins in Heidelberg abzuschließen, war ne gute Idee. Von Fremdenführer Christian Prechtl bei einer Vor-Ort-Begehung viel erfahren über die gute Kneipenkultur. Eine weniger gute Idee war es vor Heidelberg den Renommierberg Königsstuhl einzubauen. Im Sportsprech ausgedrückt: ein sehr selektiver Anstieg.