Resterampe - Texter Sautter
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Resterampe

Resterampe

Etappe 12, Tourette de France, Bourg d‘Oisans – Mont Dauphine, 101 km, 1950 Höhenmeter.

Alpe d‘Huez haben wir ausgelassen. Unerhört eigentlich. Wegen dieses legendären Anstiegs macht die internationale Radsportblase in Bourg d‘Oisans Ferien. Erst Holländer und Belgier, dann wegen Pantani die Italiener, dann wegen Armstrong die Amis, wegen Wiggins die Briten, wegen Sagan die Slowaken, wegen Vignegaard die Dänen und so weiter. Nur die Deutschen kennt man in Bourg d‘Oisans als Motorradfahrer. Hier beginnt der legendäre Anstieg und wir lassen ihn aus. Zu unserer Verteidigung: Drei Bergetappen hintereinander, die dritte hätte 3000 Höhenmeter gehabt. Da wären mir die Beine verschimmelt. Bei Kehre 3 von 21. Der Lautaret hat uns völlig gereicht. Er führt uns auf die Rückseite des höhnischen Galibier, der wieder offen war, nur um uns auszulachen.

Sogar die Australier kommen. Und wie, auf halber Höhe des Lautaret setzt sich eine Reisegruppe aus Down Under im Café an den Nachbartisch. Sind mir schon vorher aufgefallen, weil mit Begleitfahrzeug unterwegs. Da werden Obst und Riegel gereicht, mitten im Berg. Als wir beim einfachen Espresso sitzen, laufen Tabletts mit Crème Brûlée und Schäumchen an uns vorbei. Die Australier in ihren sündteuren Rapha-Klamotten haben sich kaum gesetzt, schon werden sie als Super-VIPs bedient. Also bitte, wir sind ja schon verwöhnte Hotelpenner, aber alle Achtung, da wird die Luxusspirale an Anschlag gedreht. Wollte fast fragen, ob die wirklich selber treten, oder ob das der E-Motor übernimmt. Gelästert hab ich allemal. Von wegen AIDA auf Radsport. Auf schwäbisch, versteht eh keiner. Trotz meines Organs. Außer… außer der Reiseveranstalter ist ein Deutscher. Nun ja. So kann man sich täuschen.

Die Schäumchen-Australier vor uns an der Passhöhe, weil wir alles richtig gemacht. Schon vor Zwölf in einem zauberhaften Restaurant abseits der Straße eingekehrt. Und nach deftiger Mahlzeit waren die Wolken schon 500 Meter höher. Wetterglück kennen wir ja kaum noch. Rückenwind auch nicht. Sogar meine schimmeligen Beine haben mich zur Passhöhe hochgetragen. Vielleicht lags auch an meinen ersten Super-Radler-wissenschaftlich-getestet-wichtigmarke-Energieriegel. Ja, man muss Opfer bringen, wenn die Beine nachlassen. Das Zeug schmeckt bißle wie Müsli in fruchtigem Oma-Duschgel getränkt. Vermutlich das Arznei-Prinzip: Wenn‘s schmecken würde, tät ja keiner glauben, dass es wirkt. Ich hab bald mit einer feinen Soup Montagnarde nachgespült. Da wiederum Bohnen drin. Soll helfen, wenn‘s um Vorschub geht.

Erkenntnis des Tages: Wenn das Tal die Richtung Richtung ändert und plötzlich nach Südwesten zeigt, dreht sich der Wind. Holländische Berge nennt man das, wenn man auf der Abfahrt fast wieder den Berg hoch geweht wird.